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Schlagwort: MBSR

Warum Resilienz nicht alles ist …

Plädoyer für einen ganzheitlicheren Ansatz bei der Stressbewältigung

Während es draußen langsam Frühling wird, nehmen wir zurzeit hohe Krankenstände in Unternehmen wahr, vor allem aufgrund hartnäckiger Erkältungskrankheiten. Wieviel davon auf erhöhte Stresslevel zurückzuführen ist, ist natürlich diskutabel – die im September 2022 veröffentlichte Umfrage zu arbeitsbedingtem Stress der pronovaBKK, in der 89% der Beschäftigten angaben, im Arbeitsalltag stressauslösende Faktoren zu erleben1, lässt einen Zusammenhang aber vermuten. 

Wie gehen Sie persönlich damit um, wenn Sie aufgrund einer Krankheit Ihrer Arbeit nicht wie gewohnt nachgehen können? Inwiefern gelingt es Ihnen, den nötigen Abstand für eine gute Genesung zu gewinnen, während sich im Postfach die E-Mails stapeln?

Fast 60% der Beschäftigten in Deutschland arbeiten trotz Krankheit

Vielleicht gibt es aufgrund der hohen Komplexität Ihrer Tätigkeit oder individuell gepflegter Kundenkontakte nicht einmal Kolleg:innen, die ohne Weiteres Ihre Aufgaben übernehmen können, während Sie abwesend sind … Wenn Sie diese oder ähnliche Situationen kennen, wird es Sie sicher nicht überraschen, dass fast 60% der Beschäftigten in Deutschland zumindest manchmal trotz Krankheit weiterarbeiten2 – ein Verhalten, das als Präsentismus bezeichnet wird.

Bei der Frage, wie sich arbeitsbedingter Stress gut bewältigen lässt, so dass wir gegebenenfalls seltener krankheitsbedingt ausfallen oder im Krankheitsfall unsere Genesung nicht durch unnötigen Stress verzögern, taucht immer wieder der Begriff Resilienz auf. Die American Psychological Association definiert Resilienz als den erfolgreichen Anpassungsprozess, wenn wir mit Widrigkeiten, Traumata, Tragödien, Bedrohungen oder anderen signifikanten Stressauslösern konfrontiert werden – umgangssprachlich ausgedrückt also die Fähigkeit, nach schwierigen Erfahrungen schnell wieder auf die Beine zu kommen.

Was ist Resilienz?

Während Resilienz ohne Frage eine wichtige Kompetenz zur Bewältigung von Stress ist, reicht sie allein aus unserer Sicht nicht aus. Zunächst einmal deshalb, weil sie sich explizit nur auf diejenigen Situationen beschränkt, in denen wir direkt mit Stressoren konfrontiert werden. Daneben gibt es ja – hoffentlich – noch viele andere Situationen, die es uns ermöglichen, positive Ressourcen aufzubauen und uns generell weniger gestresst zu fühlen. Darüber hinaus kann bei einem einseitigen Fokus auf Resilienz schnell der Eindruck entstehen, dass Stressbewältigung allein in der Verantwortung des Individuums liegt. Sie fühlen sich durch Ihre Arbeitsbedingungen gestresst? Dann sind Sie einfach nicht resilient genug!

Der Neuland Gesundheits-Influencer

Wir plädieren aus diesen Gründen für eine ganzheitlichere und breitere Perspektive auf Stressbewältigung, die unseren Seminaren und der neuen Ausbildung zum Neuland Gesundheits-Influencer zugrunde liegt. So nutzen wir mit Blick auf mentale Kompetenzen zur Stressbewältigung das Konzept des positiven psychologischen Kapitals (kurz PsyCap), welches in den letzten Jahren zunehmend beforscht wurde. Resilienz ist dabei nur eine von vier Komponenten, die das psychologische Kapital einer Person beschreiben. Die anderen drei sind Selbstwirksamkeit, Hoffnung und Optimismus. 

Selbstwirksamkeit beschreibt die Überzeugung, Einfluss auf das eigene Leben nehmen zu können – sich nicht als Opfer der Umstände zu fühlen, sondern aktiv gestalten zu können, wie wir arbeiten und leben.

Hoffnung umfasst in diesem Fall Entschlossenheit und Beharrlichkeit bei der Zielerreichung, einschließlich der Bereitschaft, wenn nötig neue Wege zu gehen.

Optimismus schließlich ist eine positive Bewertungsstrategie, die den eigenen Anteil an Erfolgen hervorhebt und situationsspezifische Faktoren bei Misserfolgen berücksichtigt.

Resilienz beschreibt auch hier Durchhaltevermögen und Widerstandsfähigkeit in herausfordernden Situationen. In unseren Seminaren zu gesunder Selbst- und Mitarbeiterführung sowie in unserer Ausbildung zum Neuland Gesundheits-Influencer adressieren wir alle vier Komponenten.

Insbesondere unsere Ausbildung zum Gesundheits-Influencer zielt darüber hinaus darauf ab, Stressmanagement über die individuelle Ebene hinaus auf die Team- und Organisationsebene zu heben. Partizipation und Empowerment sind hier Schlüsselworte.

Nur in Kommunikation miteinander können Räume der gegenseitigen Unterstützung geschaffen werden und stressfördernde Strukturen aufgebrochen werden. Dafür braucht es Menschen, die nicht nur gesundheitsrelevantes Wissen mitbringen, sondern auch fähig und willens sind, andere zu begeistern, zu vernetzen und auf dem Weg zu einer gesünderen Gesamtorganisation zu begleiten.

Wenn unser Ansatz der Gesundheitsförderung Ihr Interesse geweckt hat, laden wir Sie ganz herzlich zu unserer kostenfreien virtuellen Neuland Gesundheits-Lounge am 16.03.2023 von 13.00 bis 17.00 Uhr ein. Dort erfahren Sie nicht nur mehr über unsere Ausbildung zum Neuland Gesundheits-Influencer, sondern erleben praktische Übungseinheiten aus allen vier Seminaren, die die Grundlage der Ausbildung bilden.

Lernen Sie uns auf unserer kostenfreien virtuellen Neuland Gesundheits-Lounge am 16.03.2023 von 13.00 bis 17.00 Uhr kennen! Wir freuen uns auf Sie 🙂

Dr. Sven Lohrey ist Wirtschaftspsychologe und Trainer, Moderator und Berater bei Neuland Partners for Development and Training. Dort bietet er seit 2018 auch vermehrt Seminare und Kurse zu den Themen Stressbewältigung und gesundem Führen an, in denen Achtsamkeit eine zentrale Rolle spielt. Die Praxis von Achtsamkeit und Meditation begleitet ihn seit 2009 und neben einer täglichen Meditationspraxis verbringt er jedes Jahr mehrere Wochen auf intensiven Retreats. Seine Ausbildung zum zertifizierten MBSR-Trainer absolvierte er am Odenwald-Institut unter der Leitung von Renate Kommert, Yeshe Brost und Gabi Junklewitz.

QUELLEN

  1. pronovaBKK (2022). Arbeiten 2022. Abrufbar unter https://www.pronovabkk.de/unternehmen/presse/studien/arbeiten-2022.html
  2. Techniker Krankenkasse (2022). Präsentismus in einer zunehmend mobilen Arbeitswelt. Abrufbar unter https://www.tk.de/resource/blob/2143222/8e38808d9a1f82ed55d34320c1aaf8a1/tk-studie-praesentismus-data.pdf

Achtsamkeit ist mehr!

Den Blick weiten:
Individuum – Team – Organisation

Bei einem meiner letzten Einkäufe warf ich im Vorübergehen einen Blick auf die Massen verschiedenster Zeitschriften, die um die Aufmerksamkeit interessierter Leser buhlten.
Nicht wirklich überrascht stellte ich fest, dass in der „Wellness-Ecke“, eingerahmt von Yoga- und Selbsthilfe-Magazinen, nun auch eines zum Thema Achtsamkeit zu finden ist. Spätestens da wurde mir bewusst: Achtsamkeit ist nun wirklich in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Als jemand, der selbst eine regelmäßige Meditationspraxis pflegt und so die wissenschaftlich immer besser belegten positiven Auswirkungen von Achtsamkeit erleben darf, stimmt mich diese Erkenntnis natürlich zuversichtlich. Auch, weil ich als Trainer auf fast täglicher Basis mit Menschen zu tun habe, die einerseits ihre Arbeit lieben, andererseits – oder vielleicht gerade deswegen? – aber auch vermehrt über arbeitsbedingten Stress klagen.

80 Prozent der deutschen Beschäftigten

sind es mittlerweile, die angeben, dass Zeitdruck, hohe Arbeitsbelastung und ein unangenehmes Arbeitsklima ihnen den Spaß an ihrer Arbeit nehmen (1).

Kein Wunder also, dass uns bei Neuland Development & Training immer mehr Anfragen von Kund*innen erreichen, die Achtsamkeit als Grundkompetenz der gesunden Selbstführung in ihren Unternehmen verankern wollen. Nachdem ich mittlerweile hunderte von Menschen dabei begleitet habe, persönliche Wege zu einer bewussteren, gegenwärtigeren und weniger wertenden Haltung gegenüber sich selbst und dem Leben, das natürlich ihren Beruf mit einschließt, zu finden, habe ich eines gelernt:

So wichtig es auch ist, Achtsamkeit zunächst auf der individuellen Ebene zu betrachten, liegt der wahre Schlüssel zu mehr Wohlbefinden, Wachstum und Kreativität für Unternehmen in der Ausweitung von Achtsamkeit auf die Team- und Organisationsebene.

Um nur ein aktuelles Beispiel zu nennen: Mein ehemaliger Kommilitone Dr. Jakob Stollberger, mittlerweile Assistant Professor an der Freien Universität Amsterdam, hat mit seinen Forschungspartnern jüngst einen Artikel im renommierten Journal of Applied Psychology mit dem schönen Titel „Sharing is caring“ veröffentlicht (2).

Auch an unserem Team-Friday haben wir mit den Erkenntnissen von „Sharing is caring“ gearbeitet.

Positive Ressourcenspirale

Die Ergebnisse ihrer Studie zeigen, dass Mitarbeitende, die ihre Kolleg*innen auf informellem Weg unterstützen – zum Beispiel, indem sie Aufgaben übernehmen, so dass Betroffene mehr Zeit haben, sich um ein krankes Kind zu kümmern – eine positive Ressourcenspirale in Gang setzen. Diese führt schließlich selbst bei Partner*innen zu mehr positiven Gefühlen, Arbeitszufriedenheit und Kreativität. Dieser Effekt ist umso stärker, je mitfühlender und liebevoller die Partner*innen miteinander umgehen. Anstatt diese Arten der Unterstützung zu formalisieren, empfehlen die Autoren, dass Unternehmen die Entstehung informeller Unterstützungsnetzwerke zwischen Mitarbeitenden fördern.

Achtsamkeit ist Herzsamkeit

Meiner Meinung nach kann auch hier Achtsamkeit eine entscheidende Rolle spielen; nicht nur, indem sie Menschen ermöglicht, ein feineres Gespür für die Befindlichkeit ihrer Kolleg*innen zu entwickeln, sondern auch, indem sie genau den geteilten, vertrauensvollen Handlungsraum schafft, den es braucht, damit Teammitglieder gemeinsam Lösungen im Sinne des Teamzusammenhalts finden können. An diesem Beispiel wird ebenfalls sehr deutlich, dass Achtsamkeit weit mehr ist als kühle, emotionslose Aufmerksamkeit – sie ist, wie Jon Kabat-Zinn, der Begründer des international erfolgreichsten Achtsamkeitsprogramms MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction) betont, immer auch eine Herzsamkeit.

Bei Neuland Development & Training ist es uns wichtig, unseren Kund*innen auf der Basis eigener Erfahrungen mit den Themen, die wir vermitteln, begegnen zu können. Das gilt auch für Achtsamkeit. Deswegen haben mittlerweile fast alle Mitarbeitenden an einem achtwöchigen MBSR-Kurs teilgenommen und auch unsere wöchentliche interne Weiterbildungsveranstaltung „Level-up“ stand zu Beginn diesen Jahres unter dem Motto Achtsamkeit.

Wir haben uns selbst die Frage gestellt, wie wir im Umgang miteinander eine Kultur der Achtsamkeit fördern und behindern. Nun geht es an die Umsetzung!

Wir beim Online-Meditieren …

All‘ das stimmt Sie ebenfalls zuversichtlich und weckt Ihre Neugier, weitere Möglichkeiten zur Kultivierung einer achtsamen Team- und Organisationskultur zu entdecken? Dann würde ich mich freuen, mit Ihnen darüber in den Austausch zu kommen – entweder in einem unserer Seminare oder Kurse zum Thema Achtsamkeit oder auch beim Finden individueller Lösungen für Ihr Unternehmen. Lassen Sie uns gemeinsam den Blick weiten – für eine Achtsamkeit, die über das Individuum hinausgeht.

Seminare

Gesunde Selbstführung II
Mit Entschleunigung zu nachhaltiger Leistungsfähigkeit –
Balance zwischen Belastung und Entlastung


MBSR: Stressbewältigung durch Achtsamkeit
Neue Wege zu innerer Gelassenheit und Positivität entdecken

Ich freue mich auf den persönlichen Austausch mit Ihnen.
sven.lohrey@neuland-partner.de

Dr. Sven Lohrey ist Wirtschaftspsychologe und Trainer, Moderator und Berater bei Neuland Partners for Development and Training. Dort bietet er seit 2018 auch vermehrt Seminare und Kurse zu den Themen Stressbewältigung und gesundem Führen an, in denen Achtsamkeit eine zentrale Rolle spielt. Die Praxis von Achtsamkeit und Meditation begleitet ihn seit 2009 und neben einer täglichen Meditationspraxis verbringt er jedes Jahr mehrere Wochen auf intensiven Retreats. Seine Ausbildung zum zertifizierten MBSR-Trainer absolvierte er am Odenwald-Institut unter der Leitung von Renate Kommert, Yeshe Brost und Gabi Junklewitz.

QUELLEN
(1) Swiss Life Deutschland (2020, 18. November). Gestresstes Deutschland: 80 Prozent der Bevölkerung leiden unter Stress – vor allem Menschen im Gesundheits- und Pflegebereich sind betroffen. https://www.swisslife.de/ueber-swiss-life/presse/pressemitteilungen/newsfeed/2020/11-18.html
(2) Stollberger, J., Las Heras, M., & Rofcanin, Y. (2021). Sharing is caring: The role of compassionate love for sharing coworker work–family support at home to promote partners’ creativity at work. Journal of Applied Psychology. Advance online publication.

Raum für Achtsamkeit schaffen

Es ist Samstagmorgen, 10:00 Uhr. Heute endet mein 8 wöchiger MBSR-Online-Kurs. Ich bin sehr dankbar und zugleich auch ein wenig traurig. Ich sitze auf meinem „MBSR-Platz“, der zu einem festen Anker für mich geworden ist. Alle wählen sich ein und es entsteht ein vertrautes Bild unserer Gruppe in einer besonderen Atmosphäre. Unser Kursleiter Dr. Sven Lohrey begrüßt uns und ohne viel zu reden, gehen wir gleich in die „Praxis“, was mir mittlerweile auch sehr vertraut ist. Wir beginnen mit einer Meditation in Bewegung, der achtsamen Yoga Meditation. Die Übungsabfolge darf jeder selbst so wählen wie es sich gut anfühlt, und dann schließen wir eine von Sven geführte Sitzmeditation an. Die Bildschirme sind ausgeblendet, der Ton stumm geschaltet, und ich beginne mit meinen Yoga-Übungen.

Noch vor ein paar Wochen hätte ich nicht gewusst, wie ich das alleine hinbekommen, und was ich dabei fühlen soll. Mittlerweile finde ich es wunderbar, meine Achtsamkeit auf die kleinen, feinen Bewegungen zu lenken und zu spüren, wie sich mein Körper gerade anfühlt, wie es ihm geht. 

Unsere anschließende Sitzmediation dient der Sammlung des Geistes und danach reflektieren wir die vergangenen 8 Wochen.

„Wir zählen zu den Pionieren, die einen MBSR-Kurs komplett online durchgeführt haben“, sagt Sven, der in der MBSR-Szene gut vernetzt ist.

Er geht mit uns gedanklich durch jede einzelne Woche, wiederholt die Inhalte und Aufgaben, und ich erinnere mich an die unterschiedlichen Themen, Übungen und Momente des virtuellen Austauschs mit den anderen Kursteilnehmenden. Wir haben über Achtsamkeit gesprochen, über unsere Wahrnehmung, über Reaktivität und Kreativität.

Für mich war das Thema „Die volle Bandbreite unserer Erfahrungen bewusst und achtsam erleben“ – als wir uns mit Stress, unserem Stresserleben und unseren Möglichkeiten im Umgang mit Stress beschäftigt haben, besonders wichtig. Wir haben über angenehme und unangenehme Gesprächssituationen gesprochen und sogar ein Tagebuch dazu geführt. Mein absolutes Highlight war der Tag des Schweigens.

Wir tauschen uns in kleinen virtuellen Gruppen darüber aus, was uns der Kurs gebracht hat und wie wir unsere Achtsamkeitspraxis weiterführen können.

Ich wollte schon lange einen MBSR-Kurs machen und habe vor Jahren in Heidelberg danach gesucht. Dadurch, dass ich als Beraterin, Trainerin und Coach arbeite, bin ich viel unterwegs bei Kunden und in Hotels. Ich schlafe viel zu selten in meinem eigenen Bett. Es wäre mir darum bisher kaum möglich gewesen, über Wochen einen MBSR-Kurs zu einer festen Zeit an einem festen Ort zu besuchen. 

Auch das hat das Coronavirus verändert.

Seit ein paar Wochen ist nichts mehr, wie es war. Ich arbeite im Homeoffice und bin so wenig unterwegs wie noch nie in meinem Erwachsenenleben. COVID-19 stellt uns alle, unser Unternehmen und mich, vor große Herausforderungen und wirft existentielle Fragen auf, aber es eröffnet auch neue Möglichkeiten. 

In dieser Krisenzeit waren der Online-MBSR-Kurs und die Erfahrung der 8 Wochen ein großes Geschenk. Die Kurstreffen am Mittwochabend waren ein fester Bestandteil meiner Woche und eine Möglichkeit, in diesen stürmischen Zeiten inneres Gleichgewicht und geistige Klarheit zu einem Teil des Alltags zu machen, Selbstfürsorge nicht als Egoismus zu verstehen, sondern als wichtige Voraussetzung, um für andere und unser Unternehmen da sein zu können.

Mit Achtsamkeit diese Ausnahmezeit zu erleben, hilft mir, die Zukunft für mich und unser Unternehmen in den Blick zu nehmen. Besonders hilfreich war auch, das eigene Kommunikationsverhalten zu reflektieren und über achtsame Kommunikation zu sprechen, über die Fähigkeit, ehrlich auszudrücken, was ich will, was ich denke und fühle. Als Führungskraft und im Kontakt mit unseren Kunden bewege ich mich ja ständig in Kommunikationssituationen.

Wie es jetzt weitergeht?

Das ist eine gute und zugleich sehr schwierige Frage. Die Kurstreffen und Wochenaufgaben haben mir und den anderen einen klaren Rahmen gegeben. Nun geht es darum, meine Achtsamkeitspraxis nach dem Kurs fortzusetzen. Aus vielen Seminarsituationen weiß ich, dass es trotz anfänglich großer Motivation nicht leicht ist, an einem neuen Thema dranzubleiben, daraus eine gute Gewohnheit, eine Haltung werden zu lassen. 

Drei Dinge können laut Wissenschaft helfen. 

1. Ich habe eine persönliche Vision. Ich spüre, dass mir die Übungen gut tun. Sie helfen mir, im Laufe des Tages, in Situationen immer wieder achtsam innezuhalten, wahrzunehmen, was ist und angemessener zu reagieren. Das ist ein großer persönlicher Nutzen, den ich sehe. 

2. Ich verabrede mich mit einzelnen Kursteilnehmenden, mit Gleichgesinnten, um weiterhin gemeinsam Achtsamkeit zu praktizieren, darüber zu sprechen und mich auszutauschen (das hat mir bei der Vorbereitung auf meinen Marathon sehr geholfen). 

3. Ich schaffe eine klare Struktur. Ich praktiziere an einem festen Ort – das könnte mein MBSR-Platz mit Blick ins Grüne sein – und zu einer festen Zeit am Tag, z.B. abends, an die ich mich halte. 

 Ich bin gespannt, wie mir das in den nächsten Wochen gelingt …

Sabine Merdes

Teilnehmerin MBSR-Kurs
Trainerin, Beraterin, Coach, Moderatorin
Geschäftsführende Gesellschafterin


Tag der Achtsamkeit – Schweigen

Die Schönheit der Stille

Es ist Sonntagmorgen, 11:00 Uhr. Unsere MBSR-Gruppe trifft sich zum Tag der Achtsamkeit. Nach der Hälfte des Online-Kurses verbringen wir einen Tag schweigend. Ich bin zugegebenermaßen etwas aufgeregt und gespannt, wie der Tag wird. So geht es den meisten Kursteilnehmenden.

„Die innere Haltung des Schweigens erstreckt sich über den verbalen Austausch auch auf den Umgang mit Medien, wie Fernsehen, Smartphone, Zeitung und Bücher etc.“

erläutert unser Kursleiter Dr. Sven Lohrey. Wow! That’s a lot! Das umfasst ja so gut wie alles.

Ich merke, wie ich innerlich mit mir verhandle. Vielleicht könnte ich in der achtsamen Mittagspause, den interessanten Fachartikel, der noch auf meinem Schreibtisch liegt, achtsam lesen oder meinen Mann zur achtsamen Gehmeditation mitnehmen …

Gerade in der Corona-Krise wird von uns Führungskräften noch mehr Kommunikation als im „normalen“ Führungsalltag gefordert. Wir sprechen mit Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten. Wichtig ist, gegenüber den Mitarbeitenden transparent zu machen, wo das Unternehmen steht, wie die aktuelle Auftragslage ist, wie wir die Zukunft einschätzen, usw..

Heute werde ich also nicht kommunizieren, sondern schweigen. Beim Frühstück kam mir noch eine vielversprechende Idee und eigentlich sollte ich eine E-Mail an die entsprechenden Kooperationspartner schicken, aber daraus wird zumindest heute nichts mehr. Ich merke, wie sich Unmut in mir breit macht und ich merke, wie mir das „Loslassen“ schwerfällt. Ich habe Sorge, dass ich die Idee vielleicht vergesse oder sie am Montagmorgen in der Hektik der beginnenden Woche verloren geht. Ich ärgere mich darüber, dass ich diese Initiative nicht weiter durchdenken kann.

In meine Gedanken schiebt sich Sven und stellt uns die Agenda des Tages vor. Einiges werden wir im virtuellen Raum zusammen machen, einiges alleine zu Hause. Ich habe den Ablauf zusätzlich ausgedruckt vor mir liegen und lese parallel mit:

„Selbstfürsorge ist ein zentraler Bestandteil von Achtsamkeitspraxis. Gleichzeitig kann es sein, dass Du Ausreden findest, warum Du gerade nicht praktizieren solltest oder kannst. Erinnere Dich in diesen Momenten daran, warum Du an diesem Kurs teilnimmst.“

Ich fühle mich ertappt. Ja, ich wollte unbedingt teilnehmen und daher gibt es nur eine Entscheidung: Ich lasse mich zu 100 % ein UND schweige. 

Nach der gemeinsamen Sitzmeditation gehen wir offline in die individuelle Achtsamkeitspraxis. Wir haben feste Zeiten, können die Reihenfolge der Meditationen aber frei wählen. Ich beginne mit der achtsamen Yogameditation, die ich auch in den Praxisphasen regelmäßig durchführe. Wenn ich gedanklich abschweife, was häufig passiert, kann ich mich mittlerweile gut zurückholen und im Moment ankommen. Die Sonne scheint auf meine Yogamatte. Ich spüre meinen Körper in den unterschiedlichen Bewegungen und merke zunehmend, wie gut mir die sanften Bewegungen tun. Sven ermuntert uns, die kleinsten Regungen wahr- und ernst zu nehmen. Das tue ich. In mir wird es still und das intensiviert sich beim Bodyscan. Die Ruhe im Außen überträgt sich offensichtlich ins Innen.

In der Mittagspause genieße ich einen Leberwickel, der zwar nicht auf dem Programm steht, aber ein deutlicher Impuls meines Körpers ist und mir sehr guttut.

Am Nachmittag nehmen wir uns Zeit für achtsames Gehen. Mittlerweile schweige ich 5 Stunden. Ich beobachte etwas irritiert, wie ich es genieße und wie fokussiert ich bin. 

In der Abschlussrunde, beim sogenannten Brechen des Schweigens habe ich mein Aha-Erlebnis für heute. Sven stellt uns die Frage, was uns heute gestärkt und genährt hat. Mein Körper, schießt es mir durch den Kopf. Er funktioniert, wie ich das immer beschreibe und zwar sehr gut! Aber heute war etwas anders. Heute habe ich ihn als echte Ressource erlebt. Die bewusste Fokussierung auf meinen Körper, die Entspannung durch achtsames Atmen und das konsequente Befolgen der Impulse meines Körpers haben zu einem absoluten Wohlgefühl und hoher Konzentrationsfähigkeit geführt.

Dafür ist in meinem Führungsalltag keine Zeit oder ich nehme sie mir nicht. Die Bedürfnisse meines Körpers kann ich meistens gar nicht genau benennen, da sie von den äußeren Geräuschen und Aktivitäten übertönt werden. Den großen Qualitätsunterschied nehme ich heute deutlich wahr und frage mich, wie ich das in meinem hektischen Arbeitsalltag kultivieren kann. Ich weiß noch nicht genau wie, aber ich spüre auf jeden Fall, dass es das wert wäre.

Wir besprechen auch, dass die eingesparte Energie für Kommunikation anders verwendet werden kann. Ich werde es ausprobieren, an welcher Stelle Schweigen zu mehr Qualität in Diskussionen und (virtuellen) Begegnungen führen kann. 

Meine Ideen von heute Morgen sind übrigens nicht verloren gegangen – die gehe ich morgen voller Elan und fokussiert an!

Sabine Merdes

Teilnehmerin MBSR-Kurs
Trainerin, Beraterin, Coach, Moderatorin
Geschäftsführende Gesellschafterin


Mit Vollgas in die Achtsamkeit

Es ist Mittwochabend, 18.00 Uhr, mein Online-MBSR-Kurs beginnt. Ich komme aus einem vollen Tag, habe viele Gespräche geführt, mit Kunden, mit dem Team, ich habe zugehört, ein virtuelles Meeting hat sich ans andere gereiht. Ich hatte kurzfristige Entscheidungen zu treffen und über strategische Schritte nachzudenken …

Ich wähle mich also ein und höre die Stimme unseres Kursleiters, Dr. Sven Lohrey:

„Vielleicht möchtet Ihr Euch zunächst bei Euch selbst bedanken, dass Ihr Euch jetzt die Zeit für Euch nehmt. Heute geht es darum, in liebevoller Achtung für sich selbst und den eigenen Körper zu sorgen.“

Wieso geht es um meinen Körper, frage ich mich. Welche Rolle spielt der denn? Ich bin nicht krank (und auch nicht infiziert – Gott sei Dank). Mein Körper funktioniert wunderbar, und jetzt, in der aktuellen Situation, ist doch Denken das Wichtigste, oder nicht? Nachdenken, Vordenken, neue Ideen spinnen, zukunftsrelevante Lösungen erarbeiten, reflektieren, was gerade in der Krise passiert, wie es weitergehen kann. Das ist es doch, scheint mir.

Achtsamkeits-Yoga online

Bevor ich diese Gedanken zu Ende denken kann, starten wir mit dem Achtsamkeits-Yoga, und ich liege auf der Matte und höre Svens Anweisungen für die einzelnen Übungen.

Ich hadere mit dem Bildschirm und mit meiner Unterlage und frage mich, ob das online wirklich klappen kann. Lieber würde ich jetzt, zusammen mit den anderen Teilnehmern, im Seminarraum liegen und unseren Kursleiter beim Vormachen beobachten. In der Online-Version des MBSR-Kurses sehe ich bloß lauter schwarze Bildschirme der anderen und höre Svens Stimme über meine Kopfhörer. Das Kabel ist leider so kurz, dass ich nicht genug Platz habe für meine Übungen, weil ich gleichzeitig den Bildschirm im Blick haben muss.

Das geht so nicht, denke ich genervt, und überhaupt, was soll das bringen? Sanfte Übungen? Normalerweise mache ich „richtig” Sport, wenn ich mich körperlich betätigen will.

Was bedeutet Achtsamkeit?

Plötzlich schießt mir ein Gedanke aus dem Kurs der letzten Woche durch den Kopf:

„Achtsamkeit bedeutet, die aktuelle Situation ohne Filter, ohne Interpretation wahrzunehmen. Es ist eine unmittelbare Übung in kompromissloser Offenheit und Präsenz.“

Baang … Ich nehme den Gedanken wahr und beginne, mit voller Aufmerksamkeit, Svens Anleitungen zu folgen.

„Beobachtet mal, was Ihr spürt“

höre ich Sven sagen.

„Vielleicht spürt Ihr das Blut in euren Armen, wenn Ihr sie langsam über den Kopf führt.“

Und da ist es: ein Gefühl für meine Arme. Es kribbelt und fühlt sich warm an. Jetzt spüre ich auch, wie verspannt mein oberer Rücken ist, wie steif mein Nacken. Ich spüre meinen Körper!

Die Gedanken weiterziehen lassen

Langsam werde ich ruhiger, kann mich ganz auf die Übungen einlassen. Sven bittet uns, darauf zu achten, wo unser Körper uns Grenzen zeigt oder wo wir zu viel Ehrgeiz entwickeln und uns besonders weit dehnen wollen … Das Wort „Ehrgeiz“ schwingt nach … Wo gehe ich immer wieder über meine Grenzen, wo ignoriere ich Zeichen meines Körpers, nehme sie gar nicht wahr, weil mein Geist meinen Körper „beherrscht“ und weil meine Disziplin so groß ist?

Ich lasse den Gedanken weiterziehen, wie eine Wolke, und konzentriere mich wieder auf die Übung. Ich spüre, wie weit ich mich dehnen kann und auch, welche Unterschiede es auf der rechten und linken Seite gibt.

Am Ende aller Übungen aus dem Achtsamkeits-Yoga sind 45 Minuten vergangen und ich muss gähnen. Ich lächle, weil ich mich das erste Mal an diesem Tag nicht müde, sondern entspannt fühle. Offensichtlich hat es meinem Körper gutgetan. Später erklärt uns Sven, dass sich durch Achtsamkeits-Yoga der ganze Mensch im wahrsten Sinne des Wortes regeneriert.

Im eigenen Körper zu Hause

Nach knapp einer Stunde sitze ich entspannt und konzentriert im Kurs:

Das Gefühl, „nur im Kopf“ zu sein, hat sich gewandelt und das Bild, „sich im eigenen Körper zu Hause fühlen“ klingt jetzt nicht nur nach einer schönen Theorie.

Es fühlt sich ganzheitlicher an. Gedanken, Gefühle und mein Körper sind „gleichberechtigt“ und stehen mir als Ressourcen zur Verfügung.

Jon Kabat-Zinn, der Begründer des MBSR, bezeichnet den Körper als ein „absolut wunderbares Instrument“. Ich stelle mir die Frage, wie ich in den nächsten Tagen achtsamer mit mir und meinem Körper umgehen kann, um möglicherweise andere Wahrnehmungen zu haben und dadurch neue Erfahrungen zu machen. Für diese aktuelle Krise brauchen wir neue Lösungen, ganzheitliche Veränderungen, die nicht nur aus unserem Kopf kommen …

Ich gehe voller Motivation in die neue Praxiswoche, in der täglich Bodyscan und Achtsamkeits-Yoga auf meiner Agenda stehen. Ich bin gespannt.

Sabine Merdes

Teilnehmerin MBSR-Kurs
Trainerin, Beraterin, Coach, Moderatorin
Geschäftsführende Gesellschafterin


Wir brauchen neue Lösungen

Es ist Mittwochabend, 18:00 Uhr, und ich bin in meinem MBSR-Kurs (= Mindfulness-Based Stress Reduction). Physisch. Gedanklich bin ich bei den tausend Dingen auf meinem Schreibtisch und in meinem Kopf. Ich frage mich, ob meine Zeit nicht gerade besser investiert wäre, wenn ich jetzt noch verschiedene Dinge erledigen könnte.

Es ist der falsche Zeitpunkt, denke ich. Gerade in dieser Krise muss ich doch etwas tun. Für unsere Kunden, für unser Team, für unser kleines Unternehmen. Es gibt so viele Dinge anzupacken, Prozesse abzustimmen, Gespräche zu führen und Zahlen im Auge zu behalten. Und ich sitze auf dem Boden und meditiere.

Als wir über die fünf, seit Jahrtausenden bekannten, Meditationshindernisse sprechen –

  • Verlangen nach Sinneseindrücken,
  • Widerwillen,
  • Unruhe,
  • Trägheit und
  • Zweifel

– kann ich jeden Punkt innerlich abhaken. Genau so! Irgendwann sprechen wir über Stress und die Auswirkung auf unsere Wahrnehmung. Dr. Sven Lohrey, unser Trainer, fragt die Teilnehmer nach ihren Wahrnehmungen und ihrem Verhalten in Stresssituationen:

„Man ist fokussiert“,
„Man nimmt gar nichts anderes mehr wahr“,
„Man greift nur auf Vertrautes zurück“.

Und plötzlich denke ich: Wir brauchen neue, andere Lösungen in der jetzigen Situation! Wie sollen wir das schaffen, wenn wir im Stress keine neuen Ideen entwickeln und Angst verspüren, die uns lähmt?

Achtsamkeit bedeutet: wahrnehmen, was ist – egal, was es ist und es anzuerkennen, so wie es ist.

Mit Achtsamkeit könnten wir in unserem Team auf neue Wege, neue Lösungen kommen, die auch nach der Krise hilfreich sind. In Krisen sollte man situativ-reflexiv handeln, also auf Muster achten und schauen, ob und wo die „alten“ Routinen und Muster an ihre Grenzen geraten, so die Psychologie.

Das kann uns gelingen, wenn wir achtsam sind, denke ich, und bin für einen Moment wirklich froh, mich für den MBSR-Kurs entschieden zu haben – gerade in dieser schwierigen Zeit.

Einige aus unserem Team sind mit im Kurs und in mir keimt die Hoffnung, dass wir unseren Herausforderungen in den kommenden Wochen mit mehr Achtsamkeit begegnen können und dadurch „andere“, neue Lösungen finden könnten …

Ich nehme die Wochenaufgaben zuversichtlich an und bin gespannt, was passieren wird.

Sabine Merdes

Teilnehmerin MBSR-Kurs
Trainerin, Beraterin, Coach, Moderatorin
Geschäftsführende Gesellschafterin


Innere Ruhe in Zeiten globaler Verunsicherung – ist das überhaupt möglich?

Über den Wert von Achtsamkeit in Krisensituationen
Von Dr. Sven Lohrey

Während um uns herum langsam der Frühling erwacht, finden wir uns in einer Welt wieder, die quasi über Nacht in Aufruhr geraten ist. Alltägliche Tätigkeiten wie der wöchentliche Einkauf werden mancherorts zum Abenteuer – haben wir endlich einen Parkplatz gefunden, stehen wir im Supermarkt vor geplünderten Regalen, in denen gestern noch Nudeln, Dosensuppen und Toilettenpapier standen. Zurück im Homeoffice, unserem neuen Arbeitsplatz auf unbestimmte Zeit, jonglieren wir mit Telefon, Skype, Zoom und anderen Tools, während sich ganze Organisationen neu ordnen, um den aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden.

Währenddessen sitzt draußen im warmen Schein der Frühlingssonne eine Gestalt im Garten meines Nachbarn und schaut diesem Treiben zu – der „Gartenzwerg des 21. Jahrhunderts“, eine Buddhafigur. Völlig entspannt und ruhig, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. So unbeeindruckt und friedlich sitzt da dieses Symbol der neuen Achtsamkeitsbewegung, dass man sich – konfrontiert mit Gefühlen wie Frustration, Ärger, Verunsicherung und Angst – zu Recht fragen kann, wie das denn bitte möglich sein soll, wenn man eben keine Figur aus Stein ist, sondern ein denkendes und fühlendes Wesen!

Achtsamkeit ist mittlerweile nicht einmal mehr ein Modewort, sondern Teil unseres normalen Sprachgebrauchs geworden. Fast täglich attestiert uns irgendeine neue Studie positive Auswirkungen einer regelmäßigen Achtsamkeitspraxis auf unsere körperliche, geistige und emotionale Gesundheit und unser Miteinander. Klingt erstmal super – warum praktizieren wir also nicht alle mehr Achtsamkeit?

Auf der Suche nach einer Antwort fällt mein Blick ins Bücherregal, auf ein über 400 Seiten dickes Buch namens „Gesund durch Meditation“, geschrieben von Jon Kabat-Zinn, einem der bedeutendsten Achtsamkeitslehrer unserer Zeit. Schon vor über 40 Jahren hat er das weltweit erfolgreichste Achtsamkeitsprogramm MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction; zu Deutsch: Stressbewältigung durch Achtsamkeit) entwickelt. Und dann erinnere ich mich an den englischen Titel dieses Buchs: „Full catastrophy living“ – die volle Katastrophe leben! Das klingt schon gar nicht mehr so entspannt und friedlich …

Hierin liegt für mich die Krux in unserer Beschäftigung mit Achtsamkeit. Kabat-Zinn beschreibt Achtsamkeit als eine bestimmte Art, aufmerksam zu sein: bewusst, im gegenwärtigen Moment und ohne zu bewerten. Wir lesen in dieser Arbeitsdefinition nichts von Entspannung, innerer Ruhe und Positivität. In meiner Erfahrung sind es aber genau diese Erlebnisse, die Menschen erwarten, wenn sie sich das erste Mal achtsam ihrer Erfahrung zuwenden. Sie möchten erleben, was die Buddhafigur im Garten nebenan so anschaulich verkörpert und all die Studien ihnen versprechen – und begegnen stattdessen oft einem unruhigen und rastlosen Geist, einem aufgewühlten Wirrwarr von Gefühlen und den entsprechenden Körperempfindungen; der vollen Katastrophe eben.

Warum sollte ich mich also freiwillig dieser Art von Erfahrung zuwenden und sie so auch noch intensiver erleben als sonst? Nach fast 11 Jahren eigener Achtsamkeitspraxis ist die Antwort für mich klarer geworden: weil es keine sinnvolle Alternative gibt. Alles andere wäre Verdrängung, verbunden mit Widerstand und letztendlich noch mehr Katastrophe. Ich habe durch Achtsamkeit vor allem gelernt, mich nicht von meiner Erfahrung abzuwenden, so unangenehm sie auch sein mag, und stattdessen angenehmeren Erlebnissen hinterher zu hetzen – und genau davon profitiere ich jetzt ganz konkret.

Wenn ich mich jetzt hinsetze und meinem momentanen Erleben Raum gebe, kann auch ich Gefühle von Verunsicherung und Aufregung beobachten, die sich körperlich in einer flauen, engen Empfindung in der Magengegend und einem stärker als sonst klopfenden Herzen manifestieren. Bleibe ich länger mit Offenheit und Neugier bei meiner Erfahrung, bemerke ich aber auch eine Weite in der Herzgegend, die Tiefe meines Atems und weitere Emotionen – Zuversicht, Energie, Vertrauen. Vor allem nehme ich aber eines wahr: einen ständigen Wandel.

Was bemerken Sie, wenn Sie sich Ihrer Erfahrung mit Achtsamkeit zuwenden?

Mit freundlichen Grüßen,
Sven Lohrey

Über den Autor:

Dr. Sven Lohrey ist Wirtschaftspsychologe und Trainer, Moderator und Berater bei Neuland Partners for Development and Training. Dort bietet er seit 2018 auch vermehrt Seminare und Kurse zu den Themen Stressbewältigung und gesundem Führen an, in denen Achtsamkeit eine zentrale Rolle spielt. Die Praxis von Achtsamkeit und Meditation begleitet ihn seit 2009 und neben einer täglichen Meditationspraxis verbringt er jedes Jahr mehrere Wochen auf intensiven Retreats. Seine Ausbildung zum zertifizierten MBSR-Trainer absolvierte er am Odenwald-Institut unter der Leitung von Renate Kommert, Yeshe Brost und Gabi Junklewitz.