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Der Neuland-Adventskalender

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Schlagwort: Agility

Agile Organisation – quo vadis? – Folge II

Agile – ein Marathon 

Agile ist aus Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Nach dem ersten Hype wird Agile heute stark inhaltsfokussiert, konstruktiv und mit Blick auf Skalierbarkeit angewendet. Prof. Dr. Ayelt Komus und Thomas Heupel ziehen eine insgesamt positive Bilanz aus ihrer Beratungspraxis und empirischen Forschung. Klar ist: Agile ist ein Marathon.

In der dreiteiligen Serie „Agile Organisation – quo vadis?“ beleuchten Prof. Dr. Ayelt Komus und Thomas Heupel im Gespräch mit Claudine Heinz unterschiedliche Facetten zur Entwicklung der agilen Organisation.

Gibt es Funktionsbereiche, die sich mit dem Thema Agilität weniger auseinandersetzen? 

Komus: Dass sich der Einkauf mit dem Thema Agilität in vielen Unternehmen insgesamt schwertut, ist grundsätzlich erwartbar. Spannend ist: Im Personal- und Organisationsentwicklungsbereich nimmt man eine große Unsicherheit und Suche nach Orientierung wahr. Man weiß in vielen Organisationen nicht, wie man mit dem Thema umgehen soll. Obwohl jetzt doch die Top-Themen, die bereits vor 20 bis 30 Jahren in der Organisationsentwicklung gefordert und diskutiert wurden, aktiv gelebt werden.  
Ein Grund für die Berührungsängste und die Zögerlichkeit mag sein, dass es sich dabei vermeintlich um Methodiken aus dem IT-Bereich handelt. Und in der Tat stehen wir vor einer vermeintlich absurden Situation: Jetzt müssen sich Betriebswirtschaftler und Personaler von den „Nerds“ erklären lassen, wie moderne Unternehmensentwicklung funktioniert. 

Gnadenlos – agile Methoden geben sofort Feedback

Heupel: Agile Methoden sind grundsätzlich dort vorteilhaft, wo es uns schwerfällt, Dinge mit den bewährten Methoden zu messen, anzuweisen usw. Überall dort, wo ich empirisches Wissen brauche. Dafür sind agile Methoden regelrecht gnadenlos – im positiven Sinne, insofern man sofort eine Rückmeldung bekommt. Vielleicht kommen sie gerade deswegen aus der IT, weil diese so abstrakt ist. Die IT lebt schon seit Jahrzehnten mit dieser immensen Herausforderung, oft erst nach Jahren zu wissen, ob überhaupt etwas Brauchbares herauskommt oder ob man nur Luftschlösser gebaut hat.  

Wo liegen Ihre wichtigsten Beratungsschwerpunkte hinsichtlich Agile? 

Heupel: Die Diskussionen in den Unternehmen sind erwachsener geworden. Auch im Kontext von Corona hat man sehr viele Erfahrungen gesammelt. Einem Leuchtstern läuft niemand mehr hinterher. Man ist sehr viel konstruktiver und adaptiver in der Diskussion um Lösungsansätze. Gerade bei Dingen, die man jetzt nach Corona beibehalten möchte. Wo ein gewisser Damm gebrochen ist. Wo man das, was als Fluss entstanden ist, jetzt etwas kanalisieren möchte.  

Agile – quo vadis? Ein Universum an Denkansätzen

Komus: Es gibt mittlerweile so viele verschiedene Konzepte. Wir haben ein ganzes Universum an neuen Denkansätzen und Methoden. Im Markt sind mittlerweile leider auch sehr viele Menschen, die das Thema mit ihren ganz eigenen Vorstellungen verkaufen. Insofern muss man sich zunächst die Fragen stellen: Was bedeutet es für mich? Wie bringe ich es in eine sinnvolle Reihenfolge? Wie ziehe ich daraus die Wertschöpfung? Und sich eben nicht treiben zu lassen von der Vielzahl der Methoden, die dann wieder in einen Plan gegossen werden: Jetzt muss ich Scrum, jetzt Design Thinking, jetzt SAFe machen. Denn das ist dann wiederum auch nicht sehr agil.

Ein guter Handwerker betrachtet zuerst den Kontext

Für mich gehört zu agil auch: Jedes Unternehmen hat einen anderen Kontext, eine andere Aufgabenstellung, andere Prozesse, andere Mitarbeitende, eine andere Kultur. Ich muss von dort aus starten, wo ich jetzt stehe. Für mich passt dieses Bild sehr gut: Ein guter Handwerker hat die Fähigkeit sich erstmal den Kontext anzusehen. Er fasst sein konkretes Objekt und Ziel ins Auge. Anschließend wählt er die richtigen Werkzeuge aus – und nicht nur die modernsten, nach dem Motto: schau mal, was ich für ein tolles Werkzeug habe.  

Kompetenz für agilen Werkzeugkasten

Heupel: Unsere Aufgabe als Berater ist es zum einen, diesen riesigen Werkzeugkasten zu sortieren, einzuordnen, nach den Potenzialen zu schauen. Natürlich gehört dazu auch, die großen Herausforderungen in der Organisation, im Markt, in den Prozessen so lange zu begleiten, bis es läuft. Zum anderen ist es unsere Aufgabe, die Kompetenz und das Arbeiten mit den breiteren Portfolios und Werkzeugen zu vermitteln und weiterzugeben. 

“Agile ist eine Marathonaufgabe. Sie ist dauerhaft, man muss die Kräfte einteilen und die Erwartungshaltung realistisch einschätzen. Wichtig ist es zu verknüpfen, Ressourcen sinnvoll einzusetzen und nach Projektabschluss trotzdem nicht nachzulassen. Das ist in vielen Organisationen sicherlich eine der großen Herausforderungen.” 

–> In Folge III erfahren Sie, vor welche Herausforderungen sich Unternehmen auf dem Weg zur agilen Organisation hinsichtlich des Mindsets und der Unternehmenskultur gestellt sehen.  

–> Folge I verpasst? Hier geht’s zum Auftakt unserer dreiteiligen Serie „Agile Organisation – quo vadis?

–> Wir sind Ihr Partner in Ihrem Entwicklungsprozess. Wie wir gemeinsam arbeiten erfahren Sie hier >>

 

Prof. Dr. Ayelt Komus ist Wirtschaftswissenschaftler und seit 2004 Professor für Organisation und Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Koblenz. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Agile Methoden, Projekt- und Prozessmanagement und Social Media. Prof. Dr. Komus ist Initiator verschiedener Studien in Zusammenarbeit mit Organisationen wie der Gesellschaft für Prozessmanagement, der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement (GPM) und Scrum.org. Er führte 2019/2020 zum vierten Mal die Studie Status Quo Agile durch. Sie ist mit mehr als 600 Teilnehmern die größte Studie zum Thema Agiles Projektmanagement im europäischen Raum. Prof. Dr. Komus ist wissenschaftlicher Beirat bei Heupel
Consultants. 

 

Thomas Heupel ist Geschäftsführer von Heupel Consultants. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Beratungsexpertise in den Kompetenzfeldern Process-Excellence, IT-Excellence, Project-Excellence und Agile Excellence. Heupel hat einen Lehrauftrag u.a. für Organizational Change Management an der Hochschule Koblenz

Claudine Heinz ist freischaffende Kommunikationsberaterin und war über 20 Jahre in der Unternehmenskommunikation, u.a. bei Swisscom in Bern und CSL Behring in Marburg, tätig. Ihre Schwerpunkte sind Internal & HR Communications, Change Management, Employer Branding und Design Thinking.

Agilität: Was agile Rollen für Unternehmen tun können III: der Agile Leader

Beim letzten Mal haben wir Ihnen die Rolle des Agile Coach vorgestellt. Dieser unterstützt Teams, Führungskräfte und Organisationen darin, eine agile Arbeitskultur zu entwickeln. Heute kommen wir zur Rolle des Agile Leader. Eine Hauptaufgabe des Agile Leader ist es, ein Umfeld zur Verfügung zu stellen, in dem Teams agil und eigenverantwortlich handeln können. Michèle Neuland, Expertin für agile Transformationsprozesse, berichtet wieder. 


Michèle Neuland
Organisationsentwicklung und Beratung
Assoziierte Beraterin, Trainerin, Moderatorin, Coach

  • erfahrene systemische Organisationsentwickler- und Trainerin seit über 30 Jahren
  • über 30 Jahre Führungserfahrung als Geschäftsführerin und CEO
  • 20 Jahre Erfahrung in agilen Arbeitsweisen und der Begleitung agiler Teams
  • Dozentin für „Neue Organisationsmodelle und New Work“, „Moderation und Facilitation“ sowie „eHR“
  • Einführung und Begleitung zahlreicher Unternehmen bei agilen Frameworks

Frau Neuland, was bedeutet Agile Leadership, also agile Führung?

Agile Leadership bedeutet, die gemeinsame Unternehmenswelt in Richtung größerer Agilität zu verändern und dabei von agilen Denk- und Arbeitsweisen Gebrauch zu machen. Ein Agile Leader kann disziplinarische Verantwortung haben, muss sie aber nicht besitzen. Jeder kann eine agile Führung übernehmen. Diese wird in Form unterschiedlicher Rollen übertragen. 

Um effektiv agil zu führen, muss 

  • ein Agile Leader sowohl systemgestaltende Fragen klären (Framework, Struktur, Artefakte, Produkte und Dienstleistungen)
  • als auch Interaktionsmuster und Beziehungen zwischen Individuen, Teams und Kunden stärken (Vertrauen, Verantwortung, Kultur). 

Zudem ist eine klare Visionoder ein klarer Nordstern notwendig, um Richtung, Orientierung und Motivation zu erhalten.  

Dazu haben wir auch eine Abbildung.

Wofür ist ein agiles Framework gut? Was ist damit gemeint? 

Ein Framework agiler Führung dient als Orientierung. Es hilft Führungskräften, eine Struktur und eine Kultur zu schaffen, in der Teams die Verantwortung für die Auswirkungen auf den Kunden übernehmen.  

Organisationen, die ein solches Framework verwenden, 

  • haben eine gesunde Kultur, in der sie experimentieren können und schnell lernen, 
  • arbeiten intelligenter, indem sie zum Beispiel mit digitalen Lösungen die Kundenwirkung steigern, 
  • bauen eine starke emotionale Bindung zu ihren Kunden auf, 
  • schaffen eine Umgebung, in der Mitarbeiter und Kunden zusammenarbeiten, 
  • und sind in der Lage, schnell auf Marktveränderungen zu reagieren und ihre eigenen Disruptionen zu erzeugen, also bestehende Muster, Gewohnheiten und Verhältnisse zu unterbrechen. 

Was muss ein Agile Leader dafür können? 

Die Essenz agiler Führung besteht für Peter Koning, Experte für agile Führung, darin, das richtige Umfeld für sich selbst verwaltende Teams zu schaffen. Dazu gehören mindestens die vier folgenden Komponenten und die dazu passenden Rollen, die ein Agile Leader einnehmen können muss: 

  • Mit-Erschaffen und Innovieren (Co-Creator): Eine agile Führungskraft schreibt nicht vor, was die Teams tun müssen, sondern stellt sicher, dass die Ziele gemeinsam entwickelt werden. Wenn auch die Teams ihre Freude an Innovation und Gestaltung haben, bringt das Fortschritt und Entwicklung. 
  • Erleichtern und ermöglichen (Facilitate Ownership, Facilitator): Teams können nicht gezwungen werden, die sogenannte Ownership zu übernehmen. Führungskräfte können nur die Umstände schaffen, unter denen sie dieses tun. Eigenverantwortung ist ein mentaler Zustand von Teams, in dem sie proaktiv, stolz, initiativ und engagiert sind. Dann warten sie nicht auf Anfragen, sondern ergreifen die Initiative, um qualitativ hochwertige Produkte und Dienstleistungen zu liefern. Eine agile Führungskraft schafft ein dafür günstiges Umfeld und begleitet sie dabei. 
  • Schneller lernen (Experimentator): Sich selbst verwaltende Teams müssen schnelles Feedback zu ihren Aktionen und Entscheidungen erhalten. Eine agile Führungskraft verbessert die Umwelt, damit die Teams kleine Experimente durchführen und Feedback, vorzugsweise von Teammitgliedern und Kunden, erhalten können, immer mit dem Ziel, schneller zu lernen. 
  • Die Kultur designen (Culture leader): Eine Hauptverantwortung des Agile Leaders ist es, eine passende Kultur zu entwickeln, da Agilität mehr mit Verhalten und Werten zu tun hat als mit Methoden und Strukturen. Er/sie muss sich die Kultur vorstellen können, gestalten und verbessern. Die Kultur zu „führen“ ist inspirierend, aber auch harte Arbeit.  

Muss man weitere Voraussetzungen mitbringen? 

Die wichtigsten Voraussetzungen sind die Bereitschaft zu Selbstreflektion und die Neugierde, Neues auszuprobieren und zu lernen. Der Rest ist ein Entwicklungsprozess, bei dem man Unterstützung erhält – durch das Team, Kollegen, Kunden und einen guten Agile Coach. 

Gibt es die Möglichkeit herauszufinden, ob man sich selbst beziehungsweise ob sich ein Mitarbeiter zum Agile Leader eignet? 

Diese Frage ist schwer zu beantworten, da es darauf ankommt, wie man agile Führung jeweils definiert. Es gibt eine große Bandbreite an agiler Führung. Es ist auf jeden Fall hilfreich, wenn man ein entsprechendes agiles Mindset mitbringt.  

Wenn man sich als agile Führungskraft weiterentwickeln will, kann man darüber hinaus Folgendes tun: 

  • Sehen Sie sich das folgende Radarbild der Arbeitsgemeinschaft von Agilisten aus 30 Großorganisationen der DACH-Region an.  
  • Fangen Sie mit dem inneren Ring an und reflektieren Sie, ob Sie das jeweilige Zielverhalten kennen, erlernt haben, ausprobiert haben oder geübt haben. Arbeiten Sie sich auf diese Weise durch alle anschließenden Ringe. 
  • Nehmen Sie sich zuletzt maximal 4 – 5 Bereiche heraus und erarbeiten Sie einzelne Maßnahmen der Verbesserung. 

Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Übung! 

Von „DACH30 Arbeitsgruppe Mindeststandards für Unternehmensagilität“​

Im nächsten Blog-Beitrag unserer kleinen Reihe über agile Rollen erfahren Sie mehr über die Rolle des OKR-Coachs.


Agilität: Was agile Rollen für Unternehmen tun können II: der Agile Coach

Im letzten Blog-Artikel haben wir Ihnen von agilen Rollen erzählt, die einem Unternehmen helfen, sich zu einer anpassungsfähigen Organisation zu wandeln, die Herausforderungen und Krisen wie die jetzige Corona-Zeit besser besteht. Heute stellt Michele Neuland, Expertin für agile Transformationsprozesse, eine dieser Rollen, den Agile Coach, näher vor.


Michèle Neuland
Organisationsentwicklung und Beratung
Assoziierte Beraterin, Trainerin, Moderatorin, Coach

  • erfahrene systemische Organisationsentwickler- und Trainerin seit über 30 Jahren
  • über 30 Jahre Führungserfahrung als Geschäftsführerin und CEO
  • 20 Jahre Erfahrung in agilen Arbeitsweisen und der Begleitung agiler Teams
  • Dozentin für „Neue Organisationsmodelle und New Work“, „Moderation und Facilitation“ sowie „eHR“
  • Einführung und Begleitung zahlreicher Unternehmen bei agilen Frameworks

Frau Neuland, was ist ein Agile Coach und was kann er für ein Unternehmen tun?

Der Agile Coach unterstützt Teams, Führungskräfte und Organisationen darin, eine agile Arbeitskultur zu entwickeln. Er stößt agile Veränderungsprozesse an und begleitet sie. Ein Agile Coach hilft einer Organisation, anpassungsfähig, innovativ und selbstlernend zu werden. Durch die Zusammenarbeit mit einem Agile Coach ändert sich die Kultur einer Organisation. Die Werte, Glaubenssätze, Fähigkeiten und das Wissen der einzelnen Personen und der Organisation als Ganzes wandeln sich Stück für Stück hin zu mehr Agilität.

Wie kann man sich das vorstellen? Was macht ein Agile Coach?

Ein Agile Coach kann zum Beispiel als erfahrener Experte seinen Coachees von seinen Erfahrungen berichten und ihnen zeigen, was zu tun ist. Er kann als Trainer Wissen vermitteln oder als Moderator begleitend zur Seite stehen. Natürlich kann er seine Coachees auch als Coach in ihrer Entwicklung fördern und unterstützen. Als Business Craftsman erarbeitet er zusammen mit den Coachees Geschäftsstrategien und Visionen. Als Organisationsentwickler hat er schließlich die gesamte Organisation und deren Entwicklung im Blick. Diese Virtuosität macht einen erfahrenen Agile Coach zu einem Organisationsentwickler auf Top-Niveau.

Haben Sie dafür ein, zwei Beispiele?

Die Arbeit eines Agile Coachs kann sehr vielfältig sein und orientiert sich an dem japanischen Aikido-Lernmodell SHU-HA-RI.

Von „DACH30 Arbeitsgruppe Mindeststandards für Unternehmensagilität“

Ein Agile Coach kann beispielsweise ein Team bei seinen allerersten Schritten in Richtung Agilität unterstützen, immer mit dem Ziel, es zu einem agilen, hochperformanten Team zu entwickeln. In dieser Entwicklungsstufe würde er  unter anderem als Trainer arbeiten, um die agilen Prinzipien und Frameworks zu vermitteln. Er würde die Team-Mitglieder als Experte an seinen Erfahrungen teilhaben lassen und als Moderator die ersten Schritte hin zu mehr Selbstorganisation fördern. Dies würde der 1. Stufe des Lernmodells, der Stufe SHU, entsprechen und hat zum Ziel „doing agile“.

Aber selbst erfahrene agile Organisationen können von der Förderung durch einen agilen Coach profitieren. So kann sich zum Beispiel ein agiles Start-Up-Unternehmen fragen, wie es am besten wachsen kann und welche Form von Führung es entwickeln will. Eine agile Kultur braucht immer wieder eine Anpassung und Weiterentwicklung von agilen Verhaltensweisen, Frameworks und Produkten beziehungsweise Dienstleistungen. Dies wird durch die 3. Stufe, die Stufe RI, beschrieben, das „being agile“. In diesem Fall würde der agile Coach primär als Organisationentwickler und Business Craftsman arbeiten.

Was muss ein Agile Coach dafür können?

Er muss erkennen können, in welchem Entwicklungsstadium ein agiles Team oder eine agile Organisation ist und was dieses beziehungsweise diese jeweils braucht. Und er muss eine dazu passende Rolle und Haltung einnehmen können. 

Einmal wird er eine Entwicklung vielleicht nur beobachten, an anderes Mal Ergebnisse aktiv vorgeben. Einmal wird er, wie beschrieben, vielleicht beratend zur Seite stehen und ein anderes Mal bewusst fördern. 

Die folgende Abbildung fasst Rollen und Haltungen eines Agile Coachs gut zusammen.

Basierend auf dem Agile Competency Framework des Agile Coaching Institute

Muss man weitere Voraussetzungen mitbringen?

Idealerweise hat man bereits erste eigene Erfahrungen mit agilem Arbeiten gemacht – ob als Mitglied eines agilen Teams oder in einer anderen Rolle, zum Beispiel bei SCRUM.

Ähnlich wie bei anderen Coaching-Ausbildungen braucht es ein gutes Maß an Selbstreflektion. Man sollte sich selbst einige Fragen stellen wie zum Beispiel:

  • Aus welchen Gründen möchte ich Agile Coach werden?
  • Woran werde ich erkennen, dass dies eine gute Entscheidung war?
  • Welche Denkmodelle habe ich und welchen Werten folge ich, wenn ich mich entscheide, ein Agile Coach zu werden?

Je klarer man sich über die eigene Motivation und die dahinterliegenden Beweggründe ist, desto authentischer ist man in der eigenen Haltung.

Wie wird man ein Agile Coach? Sie bieten Ausbildungen an. Gibt es weitere Möglichkeiten wie etwa ein Coaching oder ein Learning on the Job?

Viele Wege führen nach Rom. Einige haben bereits Ausbildungen zum SCRUM-Master gemacht und als solcher gearbeitet. Wenn das der Fall ist, erweitert man noch das Spektrum und ergänzt es um Aspekte aus der Organisationsentwicklung. Andere haben bereits vielfältige Erfahrungen als Trainer und systemischer Coach und wollen sich in Richtung Agilität fortbilden. Wieder andere haben intensive Erfahrungen im agilen Arbeiten, aber noch keine Erfahrung in der Entwicklungsarbeit mit Menschen und Teams. Immer muss man individuell schauen, welchen Fortbildungsansatz man wählt. Agile Ausbildungen haben genau dies als Grundidee. Sie kombinieren verschiedene Lernwege – von kollaborativem Lernen über Coaching bis hin zu Learning on the Job.

Können Sie dafür noch ein hilfreiches Tool an die Hand geben?

Die DACH30, das ist ein Zusammenschluss von agilen Verantwortlichen aus 30 Großunternehmen der DACH-Region, hat ein Analysetool zur persönlichen Entwicklung als agiler Coach konzipiert. Mit diesem Radarbild können Sie selbst überprüfen, wo Sie noch Entwicklungsfelder haben, und so die nächsten Schritte definieren. Ganz nach dem Motto: Eigenverantwortung für die eigene Entwicklung übernehmen!

Von „DACH30 Arbeitsgruppe Mindeststandards für Unternehmensagilität“

Im nächsten Blog-Beitrag unserer kleinen Reihe über agile Rollen erfahren Sie mehr über die Rolle des OKR-Coachs.


Agilität: Was agile Rollen für Unternehmen tun können

Agiles Arbeiten versetzt Unternehmen in die Lage, Herausforderungen und Krisen besser zu bestehen. Aber agiles Arbeiten entwickelt sich nicht von selbst. In diesem und in den folgenden drei Blog-Artikeln zeigt Michèle Neuland, Expertin für agile Transformationsprozesse, was agile Rollen für Unternehmen in ihrem Veränderungsprozess hin zu mehr Agilität tun können.


Michèle Neuland
Organisationsentwicklung und Beratung
Assoziierte Beraterin, Trainerin, Moderatorin, Coach

  • erfahrene systemische Organisationsentwickler- und Trainerin seit über 30 Jahren
  • über 30 Jahre Führungserfahrung als Geschäftsführerin und CEO
  • 20 Jahre Erfahrung in agilen Arbeitsweisen und der Begleitung agiler Teams
  • Dozentin für „Neue Organisationsmodelle und New Work“, „Moderation und Facilitation“ sowie „eHR“
  • Einführung und Begleitung zahlreicher Unternehmen bei agilen Frameworks

Frau Neuland, Sie sind bei Neuland Development & Training für die agilen Ausbildungen mitverantwortlich. Warum gewinnt agiles Arbeiten seit Corona immer mehr an Bedeutung?

Die Welt musste durch Corona agiler werden; Unternehmen haben gesehen, wie anfällig sie oft waren. Unternehmen haben aber auch erkannt, dass sie durch eine agile Philosophie, ein agiles Mindset und agile Methoden viel besser auf Herausforderungen reagieren können. Sie erleben, wozu sie in Corona-Zeiten in der Lage sind und was sie bewegen können.

Wie sieht denn so ein agiles Arbeiten aus?

Typisch für agiles Arbeiten sind zum Beispiel:

  • angepasste Geschäftsstrategien und eine Zentrierung auf Kundenwünsche,
  • interdisziplinäre, weltweit verteilte und doch digital vernetzte Mitarbeiter,
  • (teil-)autonome, sich selbst organisierende Unternehmenseinheiten,
  • weniger bürokratische und soziale Hürden
  • sowie ergebnisorientierte digitale Arbeitsmodelle.

Es heißt, dass es keine Rückkehr zur alten Normalität geben kann. Selbst traditionelle Unternehmen waren ja gezwungen, ihren Mitarbeitern innerhalb kürzester Zeit mobiles und agiles Arbeiten zu ermöglichen. Agile Arbeitsmethoden werden zum „new normal“.

Was können Unternehmen tun, um agiler zu arbeiten?

Sich zu solchen autonomen, sich selbst steuernden Einheiten zu entwickeln, passiert nicht von allein. Das ist ein Transformations-, also ein Veränderungsprozess, der begleitet werden muss. Und diese Veränderungs- und Begleitungsaufgabe wird von diversen Rollen ausgeübt, von der Team Facilitation bis zur Agilen Führung.
 
Bei Neuland Development & Training schulen wir dafür zwei Rollen aus dem Rollenkonzept des Team Facilitator, den Agile Coach und den OKR-Coach, sowie eine Rolle aus der Agilen Führung, den Agile Leader.

Können Sie uns etwas zu diesen Rollen sagen? Warum sind sie wichtig?

Der Agile Coach unterstützt Teams, Organisationen und Führungskräfte darin, eine agile Arbeitskultur zu entwickeln. Er stößt agile Veränderungsprozesse an und begleitet sie. Ein Agile Coach hilft einer Organisation, anpassungsfähig, innovativ und selbstlernend zu werden.
 
Dafür muss ein Agile Coach erkennen können, in welchem Entwicklungsstadium ein agiles Team beziehungsweise eine agile Organisation ist. Und er muss eine dazu jeweils passende Rolle und Haltung einnehmen können, die vom Experten und Wissen vermittelnden Trainer über den begleitenden Coach und Moderator bis zum Visionen und Strategien entwickelnden Business Craftsman und Organisationsentwickler reicht. 
 
Der OKR-Coach unterstützt Teams und das Management dabei, das agile Führungswerkzeug OKR anzuwenden. OKR leitet sich vom englischen Objectives and Key Results ab, ein Zielsystem, das von John Doerr bei Google eingeführt wurde und dort bis heute sehr erfolgreich angewandt wird. OKR ist ein Führungswerkzeug, das agiles Arbeiten fördert, ohne die bestehenden Strukturen verändern zu müssen. Daher eignet es sich hervorragend für den Einstieg in agiles Arbeiten. 
 
Ähnlich dem Agile Coach nimmt auch der OKR-Coach unterschiedliche Rollen ein, vom Experten, Trainer, Moderator und Coach bis zum Change Agent und Prozesswächter.
 
Die Hauptaufgabe eines Agile Leader besteht darin, das richtige Umfeld für eine agile beziehungsweise hybride, also teil-agile Organisation zu schaffen. Dabei kann ein Agile Leader disziplinarische Verantwortung haben, er muss sie aber nicht besitzen. Jeder kann agile Führung in Form von unterschiedlichen Rollen übernehmen.
 
Dazu sollte laut Peter Koning, Experte für agile Führung, ein Agile Leader zum Beispiel ein Erschaffer (Co-Creator) und ein Ermöglicher (Facilitator), ein Experimentator und ein „Kulturdesigner“ (Culture leader) sein.


In den folgenden Wochen wollen wir uns etwas näher mit diesen Rollen beschäftigen. Wenn ein Unternehmen sich für sie interessiert: Kann man sagen, mit welcher Rolle es anfangen sollte, wenn es etwas für seine Agilität tun will?

Im nächsten Blog-Artikel erfahren Sie mehr über die Rolle des Agile Coach.


Welche Erfahrungen in der Corona-Krise haben Sie positiv überrascht?

Mich hat fasziniert, wie viel Kreativität die Krise freigesetzt hat und wie viele Hürden, die vorher grundsolide im Weg standen, ganz nebenbei genommen wurden, weil es nicht anders ging.

Home Office wurde von einem auf den anderen Tag in vielen Unternehmen möglich, und bei Twitter dürfen die Mitarbeiter*innen auch dauerhaft von zu Hause aus arbeiten, wenn sie das möchten.

Klar – Home Office ist nicht überall möglich und für jede Situation angebracht. Mir geht es bei dem Beispiel um Beweglichkeit (neudeutsch: Business Agility) und Gestaltungsfähigkeit, die sich da gezeigt hat, weil es eben sein musste.

Und die lässt mich hoffen und darauf gespannt sein, wie wir uns weiterentwickeln in der Arbeitswelt.

Gleichzeitig zeigt sich gerade im Großen, was auch viele Unternehmen im kleineren Rahmen erleben, nämlich, wie unterschiedlich Menschen mit Unsicherheit und Mehrdeutigkeit umgehen. Viele überfordert die Tatsache, dass Maßnahmen kurzfristig getroffen oder auch wieder revidiert werden.

Viele wünschen sich mehr Orientierung und klare Ansagen

So verständlich das ist, so wenig zielführend wäre ein starrer Plan in einer Situation, die auch für Experten weitgehend unüberschaubar bleibt, in der wir Schritt für Schritt lernen müssen, wie sich die Lage verändert.

Die Fähigkeit, Mehrdeutigkeit auszuhalten und mit Unsicherheit gut umzugehen, wurde schon vor Corona als wichtige Kompetenz für die neue Arbeitswelt beschrieben.

Und in den letzten Monaten wird sehr deutlich, was das konkret bedeuten kann.

In vielen Unternehmen erleben Mitarbeitende Ähnliches: Schritt für Schritt wird die Vorgehensweise angepasst statt von Anfang an schon einen vollständigen Plan abzuarbeiten. 

Manchmal ist das Planungsschwäche: da, wo Planung möglich wäre, weil das Terrain, in dem man sich bewegt, bekannt ist.

In vielen Fällen ist es aber die einzig vernünftige Vorgehensweise. Dann nämlich, wenn das Gelände unübersichtlich oder unbekannt ist oder wenn die Zusammenhänge komplex sind.

Gehen Sie davon aus, dass jede Situation planbar ist und wir uns nur richtig anstrengen müssen, um die Dinge unter Kontrolle zu bringen? Oder gehen Sie davon aus, dass sich Dinge Schritt für Schritt entwickeln und die Entwicklung nicht langfristig vorhersagbar ist?

Wir alle haben Denkgewohnheiten und betrachten die Welt durch unterschiedliche Brillen, die wir uns unter anderem auch durch unseren (Arbeits-)alltag angewöhnen.

Wenn wir in unserem Alltag überwiegend mit komplexen Situationen konfrontiert sind, betrachten wir die Welt gewohnheitsmäßig als komplex.

Wenn wir in unserem Alltag eher mit planbaren Situationen zu tun haben, gehen wir eher davon aus, dass man nur genau genug hinsehen/analysieren muss, um die Dinge planen zu können.

Je nach Sachlage hat mal der eine, mal die andere Recht.

Planung gibt uns Sicherheit und Orientierung. Was aber, wenn – wie oben geschildert – Planung außer einer Pseudo-Sicherheit keinen Nutzen hat, weil sie wegen der Unvorhersagbarkeit der Situation keinen Bestand haben kann? 

Auch wenn man einsieht, dass langfristige Pläne aktuell nicht sinnvoll möglich sind, haben wir Menschen doch ein Bedürfnis nach Orientierung.

Das cynefin Framework von Dave Snowden lässt sich da als eine „Landkarte“ nutzen, um zu überlegen, in welchem Umfeld man sich gerade bewegt und welche Vorgehensweise deshalb angebracht ist.

In unserem Interview mit der Fachzeitschrift „Projektmanagement aktuell“ gehen wir auf die Bedeutung des Mindsets für die Nachhaltigkeit bei der Einführung von z.B. agilen Methoden ein.

Die Methode allein kann, ohne die entsprechende Haltung, nicht lange Bestand haben, auch nicht in Zeiten, die weniger „zwingend“ sind als wir das gerade erleben.

In einem nächsten Artikel werden wir das Dynamische Mindset nach Carol Dweck vorstellen, das helfen kann, mit Unsicherheit gelassener und lernfreudiger umzugehen.


Sabine Hennig

Trainerin, Beraterin, Coach, Moderatorin